Dein Atem ist etwas Wesentliches
Er verbindet Dich ein Leben lang mit der Außen- und Innenwelt und sorgt für den Austausch zwischen beiden Welten – vergleichbar mit einem Austausch im Dialog. Ein Kreislauf des Ein- und Ausatmens oder anders ausgedrückt des Nehmens und Gebens. Jeder Atemzug beeinflusst Deinen Organismus und damit auch Deine Gesundheit. Fließt der Atem mühelos, angenehm, leicht und gleichmäßig, dann bildet sich ein Fundament zwischen Atem, Körper, Geist und Seele und ein gelungener Austausch, der durch jeden Atemzug reicher wird.
In der Yogatherapie geht es auch um diesen gelungenen Austausch: ohne fordernde und drängende Atemtechniken den eigenen Rhythmus zu entdecken, dem Atem Raum zu geben und sich mit ihm anzufreunden. Dies löst sowohl körperliche als auch psychische Spannungen und trägt zu einer gelasseneren Stressbewältigung bei. Tief, ruhig und bewusst auszuatmen helfen ein Gefühl innerer Ruhe, die gleichzeitig kraftvoll ist, zu entwickeln.
Man muss nicht die Schnelligkeit steigern oder die Langsamkeit pflegen, sondern den Rhythmus finden!
Ernst Reinhardt
Bewegungen, Körperhaltungen, Gefühle und Gedanken spiegeln sich in der Atmung wider und umgekehrt. Schon die Erinnerung an eine Situation, in der Du wütend, traurig oder fröhlich warst, beeinflusst Deine Atmung.
Auch Deine Stimme ist eng mit der Atemregulation verbunden. Ist Dein Atem ruhig und tief, ist Deine Stimme entspannt. Ist der Atem stockend, flach und anstrengend, steht weniger Luft zur Verfügung, die Stimme ist schriller und hüpft beim Sprechen.
Der Atem wirkt sich natürlich auf die Sauerstoffregulierung und damit auf Deinen Energie- und Leistungslevel aus. Tiefer, ruhiger und vor allem bewusst auszuatmen, ermöglicht selbst Spitzensportlern ganz andere Ziele zu erreichen, ohne sehr viel intensiver trainieren zu müssen.
An jedem Atemzug ist unser wichtigster Atemmuskel beteiligt: das Zwerchfell oder medizinisch Diaphragma genannt. Wie jeder andere Muskel kann es sich an- und entspannen und ist wie unser Herzmuskel ständig im Einsatz. In Ruhe leistet es immerhin noch 60 bis 80 % der zur Einatmung benötigten Muskelarbeit.
Gut wäre, wenn das Zwerchfell stark, stabil und gleichzeitig auch flexibel genug ist, um wieder optimal loszulassen. Die Krux: Den Spannungszustand nehmen die meisten Menschen nicht wahr. Später mehr dazu.
Zunächst noch der Blick auf einige anatomische Fakten. Er hilft zu verstehen, warum ein weniger gut funktionierendes Zwerchfell das Wohlbefinden erheblich beeinflussen kann:
- Es ist eine ca. 3 – 5 mm kuppelartige Muskel-Sehnenplatte und trennt Brust- und Bauchraum.
- Herz und Lunge sitzen auf dem Zwerchfell, Milz, Magen und Leber hängen unterhalb.
- Nieren, Darm, Wirbelsäule, Brustbein und Rippen sind mit ihm verbunden.
- Nervenbahnen für die autonome Steuerung liegen in der Halswirbelsäule.
- Öffnungen lassen unter anderem Speiseröhre, Aorta und Hohlvene hindurch.
- Es mobilisiert und stabilisiert die Körpermitte.
- Sein Bewegungsspielraum nach unten und oben beträgt mehrere cm.
- Zwischen ihm und anderen Muskeln wie dem Hüftbeuger bestehen myofasziale Beziehungen.
- ...
Das Zwerchfell liegt also zentral und hat viele wechselseitige Beziehungen zu anderen Strukturen und kann somit neben Atemproblemen auch zu Symptomen wie Kopfschmerzen, Verdauungsproblemen, Reflux oder/und Schmerzen im Bereich Rücken, Schulter und Halswirbelsäule sowie emotionaler Unausgeglichenheit beitragen.
Verspannungen lösen - Atem erleben
Verspannt Dein Zwerchfell über einen längeren Zeitraum ziehen sich die Muskelverspannungen durch den ganzen Körper weiter. Du kannst zwar höchstwahrscheinlich das verspannte Zwerchfell nicht spüren, aber die Folgen wie flachere Atmung, Kurzatmigkeit, Veränderungen in der Stimme und der Körperhaltung, insbesondere der Aufrichtung, Müdigkeit, sinkende Leistungsfähigkeit…
Häufig tragen von uns selbst beeinflussbare Faktoren zu einem verspannten Zwerchfell bei:
- Bewegungsmangel
- falsche Beanspruchung wie ständig den Bauchnabel einzuziehen oder eine flache Atmung
- allzu langes und häufiges Verweilen in unnatürlichen Haltungen wie bspw. am PC
- innere Anspannung -> oft durch Stress, Sorgen, Trauer, Angst, Wut begünstigt
Im Umkehrschluss kann folgendes körperliche wie seelische Spannungszustände lindern oder ganz auflösen:
- Beziehung zur Atmung aufbauen, seinen eigenen Rhythmus finden
- Ausgleich der Muskelspannung, Muskelaufbau
- Aufrichtung und Bewegung
- Bewegungsspielraum des Zwerchfells erweitern, Flexibilität erhöhen
- Stressreduktion
- Erweiterung der Atemkapazitäten, alle Atemräume erreichen
Lass Dich auf eine spannende Reise ein
Den Fokus auf den Atem zu lenken, kann eine spannende, bereichernde und heilsame Reise sein 😊. Und damit möchte ich auf meinen Anfang zurückkommen: Dein Atem ist etwas ganz Besonderes. Jeder Atemzug beeinflusst Deinen Organismus und damit auch Deine Gesundheit. Fließt er mühelos, angenehm, leicht und gleichmäßig, dann bildet sich ein Fundament zwischen Atem, Körper, Geist und Seele und ein gelungener Austausch, der durch jeden Atemzug reicher wird und Belastungen gelassener meistert.
Tipps für ein entspannte(re)s Zwerchfell:
Im Yoga gibt es viele Haltungen, die die Aufrichtung der Wirbelsäule unterstützen und somit Deinem Zwerchfell den notwendigen Raum geben, damit es sich überhaupt optimal bewegen und ausdehnen kann.
Bewege Deine Wirbelsäule in alle Richtungen. Ob Seitneige, Drehungen in Aufrichtung, sanfte Vor- und Rückbeugen sie alle tragen zu einem entspannten Zwerchfell bei, sofern Du nicht über die körperlichen Grenzen gehst.
Umkehrhaltungen wie der nach unten schauende Hund wirken auf das Zwerchfell entspannend, sofern Dein Atem mühelos fließt. Auch sanfte Hüftbeuger-Dehnungen bzw. die Streckung der Hüfte und Entspannendes für den Schulter-Nackenbereich haben einen positiven Einfluss.
Versuche Dich im Alltag immer wieder aufzurichten und Endlossitzungen in krummen Haltungen zu meiden. Auch ein Rekeln, Strecken oder eine Drehung in Aufrichtung lassen sich überall gut integrieren. Ein herzliches Gähnen inklusive wirkt befreiend für das Zwerchfell.
Nehme (wieder) bewusst Kontakt zur Atmung auf. Beobachte sie im Alltag und auf der Matte. Spüre die Bewegungen und Atemräume. Apropos spüren: Wie wertvoll das bewusste Spüren ist, kannst Du in dem Artikel „Warum wir bewusstes Spüren für unser Wohlbefinden brauchen“, nachlesen.
Versuche, zunächst in Entspannungslagen die Ausatmung sanft und mühelos zu vertiefen. Vertiefe sie im 2. Schritt auch in den Asana und Abläufen. Lasse mit der Zeit eine vollständigere Ein- und Ausatmung zu, sodass sich die Atempause nach der Ausatmung von alleine einstellt. Der Bewegungsspielraum des Zwerchfells vergrößert sich.
Singen, tönen und tanzen hilft auch 😊!