Body-Mind-Praktiken wirken als Blutzuckersenker
Diese Aussage wurde in einer aktuellen Studie veröffentlicht. Und das ist eine tolle, mutmachende Nachricht, denn selbst die Forscher waren vom Ergebnis überrascht. Ein Team der Keck School of Medicine of the USC führte die Studie durch, die im September 2022 im Journal of Integrative and Complementary Medicine publiziert wurde.
Die Forscher analysierten 28 Studien und unterschiedliche Body-Mind-Praktiken wie Yoga, Qigong, achtsamkeitsbasierte Stressreduktion, Meditation und Visualisierung von positiven Bildern. Analysiert wurden Daten aus randomisierten, kontrollierten Studien, die zwischen 1993 und 2022 weltweit durchgeführt wurden. Teilnehmende der Studien waren Menschen mit einem insulinunabhängigen Diabetes 2, die gleichzeitig eine der aufgeführten Body-Mind-Praktiken praktizierten. In den Vergleichsgruppen wurde der Diabetes nur medikamentös behandelt.
Die Beteiligung an einer Body-Mind-Praktik variierte in der Häufigkeit und des Zeitraumes von täglich bis mehrmals pro Woche und von vier Wochen bis zu sechs Monaten.
Yoga erzielte die höchste Senkung
Ausgewertet wurde der Hämoglobinspiegel A1c, kurz HbA1c. Dieser Wert wird durch einen Bluttest ermittelt und gibt Rückschluss über die Blutzuckerkonzentration der letzten 2 – 3 Monate. Werte, die zwischen 5,7 % und 6,5 % liegen, gelten als Vorstufe eines Diabetes, dem sogenannten Prädiabetes. Bei einem manifestierten Diabetes liegen die Werte darüber.
Der HbA1c-Wert sank durch Yoga am stärksten, sofern über einen längeren Zeitraum regelmäßig mehrmals pro Woche praktiziert wurde. Er reduzierte sich um 1 %. Ein Wert, der in etwa so hoch liegt wie bei einer medikamentösen Behandlung durch Metformin. Hier liegt der Wert durchschnittlich bei 1,1 %. Durch Qigong sank der Wert um 0,66 %.
Dr. Fatimata Sanogo vom Department of Population and Public Health Sciences der USC und Hauptautorin der Studie sagte: “Wir haben mit einem Nutzen gerechnet, aber nie damit gerechnet, dass er so groß sein würde”. Gleichzeitig sind weitere Studien notwendig, doch schon aufgrund des positiven Effekts dieser Studie haben die Forscher vorgeschlagen, dass Body-Mind-Aktivitäten zusammen mit Standard-Lifestyle-Behandlungen Teil der Diabetestherapie werden sollten.
Zunächst möchte ich etwas weiter ausholen, dann wird es m. E. auch verständlicher, warum die Body-Mind-Praxis eine wirksame und einfache (Präventions)Strategie sein kann.
Die häufigsten Faktoren, die einen Diabetes Typ 2 zur Folge haben können bzw. begünstigen sind: Die familiäre Disposition, Übergewicht und der moderne Lebensstil mit Bewegungsmangel, ungesünderen Ernährungsgewohnheiten, lang anhaltenden Stress und chronischen Schlafmangel. Alkohol, Rauchen, Medikamente, Bluthochdruck und Infekte sind weitere Risikofaktoren. Im Alter kann zusätzlich die reduzierte Leistungsfähigkeit der Bauchspeicheldrüse dazu beitragen.
Vieles davon ist altersunabhängig und in unserem schnelllebigen modernen Alltag weit verbreitet. Auch ein Grund mit, warum mehr jüngere Menschen an Diabetes 2 erkranken.
Die Faktoren tragen dazu bei, dass Glukosespitzen über einen längeren Zeitraum zu lang und zu hoch ausfallen können. Eine zu hohe Blutzuckerkonzentration schadet dem Organismus auf Dauer und es kann sich ein sogenannter Prädiabetes entwickeln. Diese Vorstufe geht immer einem Diabetes voraus. Sie ist oftmals eine jahrelange Phase einer milden und chronischen allgemeinen Entzündung. Schleichend und leise bleibt die Vorstufe häufig viele Jahre unentdeckt, u. a., weil mögliche Folgen sich erst spät bemerkbar machen und/oder nicht eindeutig auf eine zu hohe Blutzuckerkonzentration zurückführen lassen.
Mögliche Vorboten sind: kognitive Störungen, Stimmungsschwankungen, dauerhafte Hungergefühle, Heißhungerattacken, Verdauungsprobleme, vermehrtes Durstgefühl, andauernde Müdigkeit, Atemdisbalancen, Hautprobleme, häufige Infekte, Bluthochdruck, Muskelabbau sowie schnelleres Voranschreiten von Gelenkentzündungen.
Also nichts, was eindeutig auf die Entwicklung eines möglichen Prädiabetes bzw. Diabetes 2 hindeutet. So können im Durchschnitt etwa 8 Jahre vergehen, bis ein Diabetes tatsächlich nachgewiesen wird.
Noch eine wichtige Anmerkung: Nicht jede Person, die im Prädiabetes-Stadium ist, entwickelt zwangsläufig einen Diabetes.
Viele können durch Lebensstilveränderungen zur Prävention oder zur Remission bzw. Verlangsamung des Verlaufs selbstwirksam beitragen. Die oben unvollständige Auflistung der auslösenden Faktoren und Auswirkungen zeigt genauso wie die Empfehlungen der Diabetes-Forschung, dass die Einbeziehung von unterschiedlichen Lebensstiländerungen für die körperliche als auch mentale Gesundheit sinnvoll ist.
Damit komme ich zurück zu der eingangs erwähnten Studie. Voraussetzung für größere Effekte ist, dass mehrmals die Woche kontinuierlich praktiziert wird. Wobei ich eine zeitlich kürzere und individualisierte Yogapraxis empfehle. Eine solche Praxis lässt sich gut in einer Yogatherapiestunde auf die Bedürfnisse der übenden Person zusammenstellen. Oftmals bewirkt bereits ein einfaches und durchführbares 15-minütiges Programm viel mehr, als viele denken. Entscheidend ist, dass es zum Alltag passt und gerne praktiziert wird. Dazu ein paar Anregungen:
- Hilfreicher und motivierender sind einfache Asana, die durchaus herausfordernd für die Muskeln sein sollten und die Kraftausdauer fördern. Sie sind schließlich unser wichtigstes Stoffwechselorgan - auch für den Blutzucker.
- Während des Übens sollte der Atem mühelos und angenehm im Einklang mit der Bewegung fließen können. Dies ebnet die Verfeinerung der Körperwahrnehmung. In der Folge werden eigene Bedürfnisse und Signale des Körpers eher wahrgenommen. Das kann auch die Stressreduktion sowie Bewegungs- und Ernährungsgewohnheiten positiv beeinflussen.
- Aus so einer Yogapraxis lassen sich kleine Anker in den Alltag einflechten. Die sogenannten Aktivitäten des täglichen Lebens, kurz ADL, sind für anhaltende Veränderungen entscheidend. Sie nähren sukzessive die Selbstwirksamkeit und die Achtsamkeit. Das "zwischendurch-auch-mal-Innehalten" oder die Lieblings-Asana als eigener "Bewegungs-Anschubser" können neue Gewohnheiten fördern.
- Beispiele: Die dargestellte mentale Wechselatmung ist eine sanfte und entspannende Atemübung, die, für einige Minuten ausgeführt, auch in einen vollgepackten Tag passt. Oder für einige Minuten die Füße den Boden fühlen lassen, sich erden und dem Atem lauschen. Oder die nächste Treppe bewusst "kreativ" hinaufgehen.
Mehr erfahren
Mehr zu den Möglichkeiten der Yogatherapie bei zu hohen Blutzuckerspiegeln haben meine Kollegin Anja Orttmann-Heuser und ich in diversen medizinischen Fachartikeln beschrieben. Einer davon ist bspw. im Thieme-Verlag in der Erfahrungsheilkunde erschienen und ein weiterer im Fachmagazin für Komplementärmedizin CO.med. Wir hoffen, dass das Wissen von vielen weiter getragen wird und die Yogatherapie für viele eine Option in der Prävention und Begleitung von Diabetes 2 wird.
Wenn Du Yoga ausprobieren möchtest, können wir gerne gemeinsam herausfinden, welche Yogapraxis am besten zu Dir passt. Mehr Informationen dazu findest Du auf meiner Website yoga-und-meditation.org. Um auf dem Laufenden zu bleiben, melde Dich für meinen Newsletter an.