Was sind Gewohnheiten?

Jede Gewohnheit hilft Deinem Gehirn den Energieverbrauch zu minimieren. Sie machen den Alltag leichter, vorhersehbarer, stabiler und sie sind überlebenswichtig. Doch was ist eine Gewohnheit? Es ist eine automatische und gleiche Reaktionsweise auf ähnliche Situationsbedingungen, die durch Wiederholungen stereotypisiert wird.

Immerhin laufen statistisch mehr als 80 % Deiner Reaktionen schematisiert ab. Darunter sind viele Gewohnheiten des Verhaltens: Du stehst zur selben Zeit auf, putzt regelmäßig in einer bestimmten Haltung Deine Zähne, gehst denselben Weg zur Arbeit, entscheidest Dich oft für dieselben Lebensmittel etc. Doch auch Deine Gedanken und Deine Gefühle sind unter ähnlichen Situationsbedingungen zu Gewohnheiten geworden.

Gewohnheiten werden vom Gehirn belohnt

Menschen sind Gewohnheitsliebhaber und tendenziell nimmt diese Vorliebe im Alter zu. Da Dein Gehirn, wie eingangs erwähnt, von dem Energiesparprogramm durch Gewohnheiten profitiert, macht es Dich von diesen abhängig. Es schüttet für Routineverhalten eigene Belohnungsbotenstoffe aus. Es belohnt Dich dafür, dass es nicht denken muss. Ein Grund, warum es uns schwerfällt, sich etwas abzugewöhnen. Und es gibt weitere.

30 Tage - eine veraltete These

Oftmals wird die These zitiert, dass Gewohnheiten in 21 – 30 Tagen zu ändern sind. Doch diese These ist längst überholt. Manche neuronalen Zusammenhänge sind komplexer als andere. Ist das Netzwerk bereits mit einem gut ausgebauten Autobahnstreckennetz zu vergleichen, braucht es mehr Impulse und Zeit als wenn das Netzwerk einem kleinen Trampelpfad gleicht. Außerdem ist das Gehirn mit zunehmendem Alter nicht mehr so formbar wie in jungen Jahren.

Nichtsdestotrotz kann jeder bis ins hohe Alter sich umgewöhnen. Neuere Studien besagen, dass es im Durchschnitt 66 Tage braucht. Manche Gewohnheiten werden in weniger als 20 und andere wiederum in über 200 Tagen umgelernt. In einem weiteren Fachartikel wird erwähnt, dass eine Ernähungsumstellung auch schon Mal bis zu 3 Jahre braucht. Was sicherlich für viele gut nachvollziehbar ist.

Selbstversuch - das andere Fahrradfahren

Ein Experiment zeigt auf charmante Weise, wie das Nervensystem beim Umgewöhnen hinterherhinkt. Es ist ein Selbstversuch. Nein, es ist nicht mein eigener, sondern der von Destin. Wobei ich die Erfahrung schon gerne mal selbst machen würde.

Wie auch immer, Destin hatte in seinem Experiment spaßeshalber eine andere Art des Fahrradfahrens gelernt, nämlich mit einer veränderten Lenktechnik. Wurde der Lenker nach links gedreht, fuhr das Fahrrad nach rechts und wenn er den Lenker nach rechts drehte, fuhr es nach links.

Der Verstand weiß es

Seinem Verstand war bewusst, dass die Lenkung anders funktioniert, dennoch gelang es Destin erst nach 8 Monaten mit der neuen Lenktechnik eine längere Strecke zu fahren. Klar, hier geht es auch um komplexere Zusammenhänge wie dem Gleichgewichtssinn. Das Gehirn musste sich anstrengen. Destin übte täglich und das führte schließlich zu einer neuen nutzbaren Verschaltung im Gehirn. Dieses neue Netzwerk war zunächst noch ziemlich fragil und jede Ablenkung wie ein vorbeifahrendes Auto oder das klingelnde Smartphone beeinflusste seine Aufmerksamkeit. Das Gehirn griff in solchen Momenten wieder auf die alten Verschaltungen zurück. Destin schwankte und musste seine Füße absetzen.

Die Zellen müssen es noch verinnerlichen

Weiteres Training führte über die Zeit zu mehr Sicherheit und einer verbesserten Verknüpfung. Monate später fuhr Destin wieder mit einem ganz normalen Fahrrad. Zunächst fiel es ihm schwer, doch er brauchte nur ein paar Versuche, um das alte Netzwerk wieder zu aktivieren.

Im Übrigen konnte sein 7-jähriger Sohn bereits nach 14 Tagen eine kurze Strecke mit der veränderten Lenktechnik fahren. Klar, im Kindesalter ist das Gehirn formbarer.

Fazit des Experiments:

  • Das Gehirn ist auch im Erwachsenenalter kein starres Gebilde.
  • Der Verstand weiß es, aber erst über die Zeit verinnerlichen es die erforderlichen Zellen.
  • Es braucht viele regelmäßige Wiederholungen.
  • Alte Gewohnheiten verschwinden nicht, sie werden lediglich geschwächt.

Alltägliches in der Yogatherapie

Was hat das mit der Yogatherapie zu tun? Nun, es gibt zahlreiche Gewohnheitsmuster, die Dein Verhalten, Fühlen und Denken beeinflussen. Wie eingangs erwähnt, machen sie den Alltag leichter, vorhersehbarer, stabiler und sie sind für den Organismus überlebenswichtig. Nur gibt es darunter auch das ein oder andere ungesunde Muster, das zu Beschwerden führt, sie immer wieder hervorruft oder verstärkt.

Deshalb geht es in der Yogatherapie neben einem regelmäßigen 15-minütigen Yogaprogramm darum, gezielt ungesunde Gewohnheitsmuster durch gesündere zu schwächen. Ein Yogatherapie-Programm berücksichtigt meist 1 – 2 Tipps für den Alltag. Je nach Beschwerdebild und Alltagsaktivitäten können das sehr unterschiedliche Tipps sein.

Motivation und Vorsatz reichen aus den oben genannten Gründen oft nicht aus. Der ganz normale Alltag (swahnsinn), die vorhandenen Routinen und die Belohnungsbotenstoffe für alte Gewohnheiten funken gerne dazwischen.

Anregungen aus der Yogatherapie

Doch in kleinen Schritten kann das gut gelingen. Weniger ist in dem Falle mehr. Somit sind die Yogatherapie-Tipps Impulse, die Du häufiger über den Tag einflechten kannst. Hilfreich ist es, wenn Du dies mit Ritualen oder Ankern unterstützt.

Hier ein paar Ideen:


  • Beim Spazierengehen oder Joggen kannst Du eine Teilstrecke rückwärts, seitwärts oder hüpfend absolvieren.
  • Während des Zähneputzens kannst Du eine kraftvolle Standübung einbeziehen.
  • Beim Telefonieren kannst Du abwechselnd auf einem Bein stehen oder durch den Raum schreiten und auch mal nach draußen in die Weite schauen.
  • Bei PC-Arbeiten kann alle 20 Minuten ein Signal ertönen und Dich dazu bewegen, in die Weite zu schauen und eine Augenyoga-Übung einzuflechten.
  • Bevor Du Dir einen Kaffee zubereitest, kannst Du Dich rekeln und strecken.
  • Ein Post-It am Kühlschrank kann Dich daran erinnern, 3 Atemzüge bewusst zu atmen.
  • Beim Betreten eines anderen Raumes kannst Du den Atem fokussieren und ganz neugierig den Raum betreten.
  • Während des Essens kannst Du Dich in Langsamkeit üben.
  • Bevor Du ein Telefonat annimmst, kannst Du lächeln.
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In vielen anderen Artikeln findest Du weitere Anregungen für den Alltag.